Urlaubsansprüche und Informationspflichten in der Zeitarbeit, LAG Urteil 9 Sa 34/24
Sachverhalt: Wie wirkt sich eine fehlerhafte Vertragsklausel zur Urlaubsabgeltung auf Zeitarbeiter aus, wenn tarifliche Ausschlussfristen wirksam vereinbart wurden?
Die Klägerin war als Gesundheits- und Krankenpflegerin bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag war – rechtswidrig – geregelt, dass der Urlaubsanspruch mit dem Stundenlohn abgegolten sei. Tatsächlich nahm sie während ihrer Beschäftigung keinen Urlaub. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses im November 2022 machte sie im Mai 2023 die Abgeltung von 36 Urlaubstagen geltend (rund 14.348 €). Die Beklagte berief sich auf die tarifliche Ausschlussfrist von drei Monaten gemäß Manteltarifvertrag (MTV Zeitarbeit), die nicht eingehalten worden sei. Die Klägerin hielt dieses Verhalten für treuwidrig und machte zusätzlich einen Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Nachweisgesetz geltend.
Entscheidungen des Gerichts
Zwischen Tarifvertrag und Vertragsklausel: Wo endet die Verantwortung des Arbeitgebers?
Urlaubsabgeltung ja – aber verfallen
Durch die Nichtgewährung von Urlaub entstand mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Dieser Anspruch ist jedoch verfallen, da er nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist (§ 10 MTV Zeitarbeit) geltend gemacht wurde.
Kein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers
Die fehlerhafte Vertragsklausel, wonach der Urlaub mit dem Stundenlohn abgegolten sein sollte, begründet allein keine Treuwidrigkeit. Die Beklagte hat die Klägerin nicht aktiv von der Geltendmachung abgehalten.
Informationspflicht des Arbeitgebers
Bezüglich der Informationspflicht nach dem Nachweisgesetz (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 NachwG) stellte das Gericht fest, dass die Beklagte dieser Pflicht wirksam nachgekommen sei. Der Verweis im Arbeitsvertrag auf den einschlägigen Tarifvertrag (MTV Zeitarbeit), der die Urlaubsdauer konkret regelt, genügt den Anforderungen des Nachweisgesetzes. Zwar war die Vertragsklausel zur Urlaubsabgeltung unwirksam, doch hatte die Beklagte die Klägerin nicht im Unklaren über die bestehenden tariflichen Urlaubsansprüche gelassen – nur über deren angebliche Abgeltung.
Ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Nachweisgesetz wurde daher nicht anerkannt, weil kein Schaden im Sinne des Gesetzes vorlag: Hätte die Klägerin korrekte Informationen erhalten, wäre sie verpflichtet gewesen, Urlaub zu nehmen – und nicht auf einen Abgeltungsanspruch zu setzen. Der Schutzzweck des Nachweisgesetzes bezieht sich auf die Möglichkeit, Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis wahrzunehmen, nicht auf finanzielle Ansprüche nach dessen Ende.
Auch ein hypothetischer Schadensersatzanspruch wäre verfallen
Selbst wenn ein Schadensersatzanspruch bestanden hätte, wäre auch dieser verfallen, da er ebenfalls der tariflichen Ausschlussfrist unterliegt.
Fazit
Für Unternehmen in der Zeitarbeitsbranche zeigt dieses Urteil deutlich, wie wichtig rechtskonforme Vertragsgestaltung und transparente Kommunikation gegenüber Beschäftigten sind. Auch wenn eine Klausel zur Urlaubsabgeltung – wie im vorliegenden Fall – unwirksam ist, bleiben tarifliche Ausschlussfristen dennoch wirksam und durchsetzbar. Das Gericht hat bestätigt, dass der Verweis auf einen einschlägigen Tarifvertrag (z. B. den iGZ-DGB-Manteltarifvertrag) in einem schriftlichen Arbeitsvertrag die Informationspflichten nach dem Nachweisgesetz erfüllt.
Das bedeutet: Unternehmen müssen ihre Nachweispflichten sorgfältig erfüllen, aber sie müssen nicht jede einzelne tarifliche Regelung im Vertrag im Detail wiederholen. Entscheidend ist der klare Hinweis auf den gültigen Tarifvertrag und dessen Zugänglichkeit für den Arbeitnehmer.
Fehlerhafte oder unklare Klauseln – etwa zur Urlaubsabgeltung – sollten jedoch unverzüglich überprüft und angepasstwerden. Solche Formulierungen können zu Missverständnissen führen und rechtliche Auseinandersetzungen provozieren, auch wenn sie nicht automatisch zu einem Haftungsrisiko führen.
Unternehmen sollten außerdem ihre internen Prozesse so gestalten, dass Mitarbeiter regelmäßig und nachvollziehbar über offene Urlaubsansprüche, drohenden Verfall und geltende tarifliche Fristen informiert werden. Das minimiert Risiken und fördert eine faire, transparente Arbeitsbeziehung – insbesondere in einem sensiblen Bereich wie der Zeitarbeit.